Rollenspiele
Meine Kinder sind offiziell Teenager.
Also Modell 1 ist 13 Jahre alt, Modell 2 11.
Es soll ja Menschen geben, die hier schon länger mitlesen, und miterleben, wie sie größer werden.
Und wenn ich mit Grauen an die Kindergartenzeit mich erinnere, wo ich gefühlt ein halbes Jahrzehnt nur überfordert war, habe ich mich mit Schuleintritt nach und nach entspannt. Ich habe gelernt milder mit mir zu sein und auch mal Fertig Tiefkühl-Pizza auf den Tisch zu stellen. Ich habe gelernt, dass ich unfähig bin, das Im-Elternbett-Schlafen-Thema seriös in den Griff zu kriegen – wer´s genau wissen will: sie kommen noch immer zu uns schlafen. Nicht jeden Tag. Aber wenn ein Elternteil einmal auswärtig schläft, dann reklamieren sie den frei gewordenen Schlafplatz sofort für sich ein. Aber wie gesagt, statt mich damit fertig zu machen, nehme ich es hin. Und denke mir – schon ganz Teenie-Mum – wie lange es wohl noch so ist?
Mehr IHR Wollen als MEIN Müssen
Denn das ist definitiv eine der gravierendsten Erkenntnisse, vielleicht seit auch das kleine Kind nun in die Unterstufe geht – und das schon in die 2. Klasse: Dass die Zeit, die meine Kinder mit mir verbringen, mehr und mehr von IHREM Wollen geprägt ist, als von MEINEM Müssen.
Es gibt noch eine Grätsche – während das große Kind gerade dabei ist, Shopping Trips nun mit Freundinnen selbst zu organisieren – sogar in die große Stadt, will das kleine Kind schon noch, dass ich dabei bin. Wartend im Hintergrund wohlgemerkt.
Aber ich erkenne, es geht nicht mehr ums Essen. Im Notfall können sie mittlerweile selbst Nudeln mit Pesto kochen. Und ja, selbst in diesem (Kindes)Alter begegnen mir noch immer Frauen, die mich darüber informieren müssen, dass ihre Kinder quasi mehrgängie Menüs zaubern – selbstverständlich ungefragt und selbstverständlich an mehreren Tagen in der Woche. ??? Ich war als Kleinkindmum so überfordert, dass ich mich gar nie richtig einklinken konnte, in dieses „Was mein Kind schon kann: gehen, Mama sagen, sauber werden, Logarythmen lösen…“, dass ich hier immer viel zu lange brauche, um eine ordentliche Antwort abzugeben. Eine, die lauten sollte „Es ist mir soooo was von wurscht, was DEINE Kinder können! Ich bin sooo was von kein Ansprechpartner für diese Themen. Keine Angst, ICH bin mir total sicher, DU bist eine grenzgeniale Mutter, aber bitte verlange nicht von mir, dass ich mich darüber jetzt unterhalte…“ Nein, ich finde es eher schade, dass Frauen noch immer sich an Hand der Erfolge ihrer Kinder definieren. Aber hier geht es nicht um andere Frauen. Und ihre Kinder.
Hier geht es um mich. Und meine Kinder.
The wind of change
Und die werden eben langsam erwachsen. Es weht ein Wind herein, der ankündigt, dass sich die Jahreszeiten ändern. Noch ist es ein Familiennest. Dispute eingeschlossen: Von mir auf die Terrasse rausgeworfene Sachen. Weil nach mehrmaliger Aufforderung noch immer im Wohnzimmer herumliegend. Heulende Mädchen. Kreischende Mutter. Alles inklusive. Aber am Ende alle vereint. Murrend. Oder wohlwollend. Aber „the wind of change“ kündigt an, dass das nicht in Stein gemeiselt ist. Dass es wohl eine Zukunft gibt, wo nach solchen Streits nicht nur Hoodies fliegen. Sondern auch Türen. Haustüren. Und die zurückbleibende Person werde ich sein.
Und das Zurückkommen liegt nicht mehr in meiner Hand.
Nicht gekaufte Iphones X bis Xhochschießmichtot stellen nur Rütteln an den Käfigstangen dar: Was geht? Aber das Zurückkommen hängt nicht davon ab. Wobei ich sogar wagen würde zu sagen, dass das Nicht-Kaufen das Zurückkommen möglicherweise günstig beeinflusst.
Nein, ich bin nicht mehr gefordert als Nahrungslieferant und Laundryservice. Also nicht mehr in erster Linie. Ich bin gefordert zu erkennen, wann heikle Momente sind. Und lautstarke Diskussionen um Hoodies und Iphones sind es nicht. Eher die leisen. Wo Türen geschlossen werden. Wo Nerven blank liegen. Hier da zu sein. Geistig. Hier die Hand zu reichen. Und auszuhalten, dass sie nicht genommen wird.
Das ist es. Grob zusammengefasst. Was ich glaube, dass meine Mutterrolle der nächsten fünf Jahre wohl ausmacht.
Wenn man da jetzt dieses so aufgeladene Mutterthema rausnimmt, ist es wohl etwas, was einfach einen netten Menschen ausmacht: Zuhören. Zum richtigen Moment verfügbar sein. Es auch einmal nicht zu sein, weil Mensch sein. Da sein mit dem Herzen.
Das Leben NACH den Kindern fängt WÄHREND der Kinder an
Ob ich das alles erfülle, wird sich in – jetzt haben wir es wieder – das halbe Jahrzehnt – wird sich also in so einem halben Jahrzehnt zeigen. Oder auch in einem Jahrzehnt.
Aber weil es eben so eine Langzeitinvestition ist, merke ich mehr und mehr, dass es ungeheuer wichtig ist, die eigene Person nicht zu vergessen. Die Mutterrolle ist eine tückische. Man kann sehr leicht abdriften in das „ständige Versorgen, Unterstützen, Helfen, Dasein“. Und bei kleineren Kindern bekommt man ja auch sehr oft direkte Entschädigung: Umarmungen, Kuschelbedürfnisse,… Man kann sich von Kinder sehr viel holen. Zu viel. Vieles, dass nämlich eigentlich von Erwachsenen geliefert werden sollte. Anerkennung, Zuwendung, etc. Auf freiwilliger Basis. Und nicht von jemandem, der wirklich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem steht. Kinder.
Kritiker könnten sagen, das schreibe ich nur, weil ich selbst nie diese Mutter war und daher nie diese Benefits mir abholen konnte. Mag stimmen. Da hier zweimal nie vorgekommen ist, ist es wohl naheliegend, dass ich eben das auch nie erfahren werde. Also obs gestimmt hätte, wenn…
Nein, ich merke, selbst als eher späte Mutter, gibt es ein Leben NACH den Kindern. Und das fängt WÄHREND der Kinder an:
Wie setze ich mich für meine Bedürfnisse ein?
Welche Interessen habe ich?
Was macht mich als Person aus?
Welche Ziele habe ich (noch)?
Auf viele Fragen habe ich keine Antwort. Aber ich merke, dass sie in mir mehr und mehr aufkommen. Dabei bin ich ja eben eh nicht die Mutter, die sich aufgegeben hat. Dennoch wiegt das Muttersein schwer. Und lässt wenig Platz für anderes. Aber ich merke, dass der Druck nachlässt. Und der Platz mehr wird.
Und ich gefragt bin, den auszufüllen. Mit mir.
Was immer das heißt.
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