Stilblüte: Paperbag-Culotte

So. Ich habe einen neuen Job. Einen in einem fantastischen Team. Einen in der großen Stadt. Einen, den ich fast nicht mehr geglaubt habe, zu bekommen.
Nachdem ich ungefähr 63 Tage mit quasi angehaltenem Atem jeden Arbeitstag dort aufgeschlagen bin und versucht habe, das Unternehmen davon zu überzeugen, dass ich die allerbeste Wahl für ungefähr alles bin, habe ich en passant festgestellt, dass mein seit fast zehn Jahren von kreativer Selbständigkeit im Shared oder Home Office geprägter Kleidungsstil etwas …hm…“polishing“ brauchen kann.

Und ganz ehrlich: Auf welchen fruchtbareren Boden kann so eine Erkenntnis fallen, als auf meinen?

Ich habe eine Modeschule besucht. Ich war Mode-Ressortleiterin in einem Branchenmagazin für Mode. Und die übrige Zeit habe ich mich in verwandten Branchen herumgetrieben wie Architektur, Lifestyle-Journalismus und Grafik.

Also Polishing.
Quasi als Auftrag an mich selbst.
Aber oha… in der Zwischenzeit bin ich 47 geworden. Ich bin Mutter geworden. Meine Kinder sind mittlerweile so groß, dass sie meine Garderobe kommentieren und selbst gerade anfangen, erste Stilvorlieben zu entwickeln. All das macht klar: ALLES GEHT NICHT.
Nicht dass ich das wollte, aber ich musste feststellen, ich möchte ein gewisses Konzept haben. Ich möchte auf gar keinen Fall lächerlich wirken, wie die „Alte“, die jetzt um jeden Preis jugendlich daherkommen will. Das ist nicht mein Anspruch. Aber ich will mich auch nicht auf diese Marken-Ebene zurückziehen, wo gut situierte Frauen in meinem Alter gerne leben: Louis Vuitton Tasche, Ballerinas, Hermés Tuch, Haare wie Hillary Clinton als First Lady und halt einen Bleistiftrock oder eine gut sitzende schmale Jean und je nach Anlass ein Ralph Lauren Polo oder ein Van Laack Hemd. Ich sehe immer wieder Frauen, die so einen Stil fahren und sehr gut damit fahren. Ein bisschen Audrey Hepburn, ein bisschen Jackie Onassis, zeitlos, elegant. Never out of Style.
Aber ehrlich? Sooooo boring.
Und wer mir hier tatsächlich schon lange folgt, der hat bestimmt mitbekommen, dass ich alles mögliche sein kann, aber eins sicher nicht bin: langweilig. Lieber ein modischer Faux-Pas, als das ewige Mädchen aus Hietzing (oder irgendeinem anderen Nobelbezirk auf dieser Welt).

Also musste ich schon etwas Hirnschmalz einsetzen um hier die Kurve zu kriegen.

Ich werde je nach Lust und Laune hier immer wieder ein Bild meines Arbeitsoutfits posten – und dazu schreiben, wo die Stolpersteine liegen und wie ich versucht habe, sie zu meistern. Oder auch woran ich gescheitert bin 😉

Die Kolleginnen haben sofort klar gemacht: Paperbag-Culotte. Das Must-Have des Sommers.
Ich meine, wie unvorteilhaft kann eine Hose sein?
Ich bin in den 80ern sozialisiert, habe zig Bundfaltenhosen gehabt, sogar Bundfaltenjeans und ja, es gibt einen Grund warum die sich nicht gehalten haben. Genauso wie es gibt einen Grund, warum die Pastinake vom Aussterben bedroht ist! Weil sie dem durchschnittlichen Geschmack der Menschheit NICHT schmeckt!
Same to Culottes. Wie in aller Welt ist die Figur, für die eine Hose entworfen wurde, die weit ist und überm Knöchel endet? Ich denke selbst Frauen wie Cindy Crawford sehen komisch damit aus.
Gut, ich gebe einen einzigen Vorteil zu: Bequemlichkeit. Aber dazu wurden doch schon Leggings und Jogginghosen erfunden? Und die haben schon der Ästhetik der Bekleidungswelt keinen Gefallen getan.
Ich lasse das jetzt mal so stehen und gehe über zum zweiten …oh so fashion-Detail: Paperbag!
Hier sehe ich, dass Frauen an der Grenze zur Magersucht davon profitieren können: eine Paperbag-Taille proportioniert das Hunger-Gestell in irgendwas, was oberhalb des Gürtels passiert und irgendwas darunter.
Mit diesem Setting bin ich quasi zufällig in einem riesigen Outlet-Dorf gelandet. Das große Kind musste von einem Sommer-Camp abgeholt werden … und ja, wenn wir schon mal das sind… Irgendwann dachte ich, ich könnte doch mal so eine Hose …äh probieren…
Gut, ich fand mich wieder in einer dieser dünnen Tencel-Denim-Versionen. Aber mit allem was ich völlig in Frage gestellt habe: Culotte UND Paperbag. Der Preis und die angenehme Qualität haben mich letztlich überzeugt.
Die Kolleginnen, die die Hose „approved“ haben, haben mich weiter bestätigt. Auch wenn ich selbst Zweifel habe, manchmal ist man sich selbst eben doch NICHT der beste Ratgeber!

Und ich neige ja manchmal auch dazu, ungehörig streng (mit mir selbst) zu sein. Und das ist aller Mode Killer. Mode ist Spaß. On top zu dem, dass sie unsere Nacktheit bedeckt. Und im Winter wärmt.
Aber Spaß ist etwas, wovon wir allesamt im Leben doch viel zu wenig haben. Und wenn ich etwas gelernt habe, dann dass eine der echten Herausforderungen des Alters offenbar ist, Lachen nicht zu verlernen. Ja, es braucht schon etwas, über sich selbst lachen zu können. Aber bevor ich gar nix zu lachen habe, dann doch noch lieber über mich selber lachen?
Es gibt Menschen, die sind so befreit von jeglicher Leichtigkeit, dass sie Lach-Yoga-Kurse besuchen. Nein, soweit lasse ich es nicht kommen. Ich ziehe mich lieber fragwürdig an.

Also habe ich die Hose genommen und begonnen sie zu kombinieren.
Ein schmales Top – reingesteckt – vor einem Jahr noch hätte ich das schlicht verweigert – aber nicht vergessen – ich bin ausgezogen um die Lachnummer zu werden!
Ich bin eher kurz am Oberkörper. Mit Brüsten, die zwei Kinder genährt haben und die daher quasi nach getaner Arbeit sich der Schwerkraft hingeben, ist alles was meine Taille betont, gefühlt kurz unter meinen Brustwarzen. Schwierig.
Die Rettung ist …tadahh ein (schmaler) Blazer! Versteckt diese ganze Problemzone Taille/Paperbag zu ca. 75 %. Von hinten bleibt nur noch Culotte. Aber dazu später. Von vorne sieht man ein bisschen Paperbag-Gebinde  und sieht: Ahaaa – eine Frau, die weiß was Mode ist. Aber man sieht ein wohlproportieniertes Etwas und nicht jemand, der versucht jeden Trend um jeden Preis mitzumachen. Ich meine für diese Maßnahme allein müsste ich von THE Guido 10 Punkte bekommen!

Nun zum unteren Ende der Hose: Handbreit über dem Knöchel. Das trägt sich nicht unangenehm. Muss ich zugeben. Aber ich muss auch sagen, dass… und hier kommen wir nun zur 47-jährigen Trägerin…hüstel Schienbeine und Beine offenbar generell neigen nicht zum schönen Altern. Das wusste schon Coco Chanel und die hat irgendwas gesagt, wie, dass die Knie einer Dame ab einem gewissen Alter nicht mehr salonfähig sind. Gut, so streng bin ich nicht. Aber wenn ich mich ehrlich in den Spiegel schaue, sehe ich … naja eben 47-jährige Knöchel. Ich habe glücklicherweise keinen Halux und meine Fersen gehen auch ohne regelmäßige Hornhautbehandlung noch durch. Aber schön? Schön ist definitiv was anderes. Es ist heiß und wer will sich quälen… Aber wenn ich a long story short machen müsste, würde ich sagen: Beine sind durchaus ok. Aber es hat einen Sinn, warum Strumpfhosen erfunden wurden. Schwarze.
Das hier ist also eine Kompromisslösung. Ich werde mich wieder zu diesem Thema melden, wenn die Strumpfhosensaison eröffnet worden ist.

Der Schuh zu diesem Thema darf nicht kleinlich sein. Ich neige aber bei Sandalen zum Praktischen und meine Lieblingssandalen sind die Saltwaters, die ungefragt hier auch gingen. Aber um hochgezogene Augenbrauen bei Kollegen, Vorgesetzten und gottbewahre Kunden zu vermeiden, muss hier ein Schuh her, denn jeder aus dieser Gruppe meiner beruflichen Sozialisierungsebenen schon mal gesehen hat. Eine Plateausandale von vor zig Jahren kommt gerade recht. Dass ich auch damit regelmäßig umknicke, nehme ich in Kauf. High Heels könnten vermutlich gut aussehen, kann ich aber nicht damit dienen. Schon gar nicht gehen. Nein, die alten Campers passen erstaunlich gut. Dicke Turnschuhe, Modell Ugly sneaker tun es vermutlich auch, wenn die Temperaturen anziehen. Interessant könnten auch diese Sockenturnschuhe sein. Oder irgendwas Abteilung Stiefelette. Oder Schnürschuh. Mal sehen, was der Herbst bringt.
Sicher ist: kein Ballerina. Nein. Ohne Erklärung. Einfach nein. Siehe oben. Zu sehr Hietzing. (Wie überhaupt: Ich besitze Ballerinas, aber allesamt fast neuwertig… Frau Wally, sind Sie vielleicht einfach kein Ballerina-Typ?)

Das runde Handtäschlein wollte unbedingt dazu, weil es auch ein Emotionskauf von vor zwei, drei Jahren war und eigentlich unbenutzt ist. Meine Geldbörse (ein Weihnachtsgeschenk) ist aus Planenmaterial (von Freitag) und da zu hoffen, dass die irgendwann den Geist aufgibt, ist Wunschdenken. Learning der Woche (ausgeborgt aus der neuen Arbeit – am Ende der Woche reflektiere man über Situationen, die knifflig waren und teile mit anderen, was man daraus gelernt hat ;-): Handtaschen IMMER nach der Geldbörsengröße abstimmen. Der blaue Kreis, so schön er ist, verlangt immer von mir, dass ich meine Bankomatkarte und sonstigen essentiellen Kleinkram in eine Art Kindergartengeldbörse umräume, damit ich das Haus verlassen kann. Das mache ich natürlich nie und damit ist der blaue Kreis definitiv ein Vertreter in der Kategorie Fehlkauf.
Aber hier hat er einfach sooo gut dazu gepasst, dass ich mir dieses idiotische und völlig hirnbefreite Getue angetan habe. Und ja, da bin ich streng mit mir: Mode hin oder her. Hier hört sich der Spaß auf.
Fazit: Weiterhin Schublade. Und irgendwann, wenn es nicht mehr so weh tut, sich den Fehler einzugestehen: Sammlung. Möge es in der Welt da draußen jemanden mit kleinerer Geldbörse geben.

 

Was also lernen wir aus dem ganzen Outfit:

Man kann hochmodisches Zeug auch post 23 anziehen.

Man darf sich und die Welt und schon gar nicht die Modewelt allzu ernst nehmen.

Gute Proportionen retten alles. Wer sie nicht von Geburt aus mitbringt, kann durchaus schummeln.

Schienbeine sind auch so eine Sache. Post 40.

 

Und hier nun zu den Details:

Blazer: Marc´o Polo (quasi vom Munde abgespart im Frühjahr, weil ich die Farbe sooooo grenzgenial gefunden habe – dürfte ab nur bei mir so gewesen sein, denn jetzt im Frühherbst habe ich das Jackerl um einen Bruchteil des Preises, den ich bezahlt habe in einem Outlet gesehen – Autsch.)

Ringelshirt: Boden (alt)

Paperbag-Culotte: Hallhuber aus dem Outlet. Noch vor einem halben Jahr habe ich BEIDES abgelehnt. Nun habe ich eine Hose, die beides kann: Culotte UND Paperbag.

Plateau-Sandalen: Camper vor 5 oder 6 Jahren. Damals eher nicht oft getragen, weil ich damit umkippe. Ich bin offenbar so unfähig mit High Heels zu gehen, dass ich nicht mal damit gehen kann, wenn es flache Plateaus sind. Was sagt das über mich?

Rundes Tascherl: Esprit vor zwei Jahren. Wirklich unpraktisch, weil die Geldbörse, die ich seit zig Jahren habe, nicht reinpasst. Aber zu dem Outfit sieht sie einfach sooooo cool aus.

Brille: Miu Miu. Aus dem Outlet. Und nach 6 oder 7 Jahren wieder mal eine neue ordentliche. Mit diesen Sonnenbrillenkaufintervallen muss ich nicht in schlechtem Gewissen ersaufen.