Langsamkeit

Langsamkeit ist das neue Schwarz.

Könnte eine gute Überschrift in einer Modezeitschrift für Frauen sein.
Aber je mehr ich mich mit Nähen, mit Stoffen, mit Kleidung, mit Menschen, kurz mit dem Leben im Allgemeinen beschäftige, umso mehr entferne ich mich inhaltlich von Mode.
Selbstverständlich sehe ich immer wieder Menschen in schöner Kleidung und selbstverständlich kann ich Trends ablesen. Die derzeitige Mode gehört nicht zu meinen Favoriten, aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten. Und das liegt mir derzeit sehr fern.
Schon seit einiger Zeit propagiere ich in meinen Anleitungen sich die Zeit zum Nähen zu nehmen.
Es langsam anzugehen.
Und liege damit voll im Modetrend.
Oder empfehle ich solche Sachen, weil ich von der aktuellen Mode zur Langsamkeit beeinflusst bin?
Oder macht es das Alter?

Ganz so billig gibt es mir das Leben leider nicht. Denn sehr oft ertappe ich mich beim Hudeln, beim Noch-Reinquetschen-Wollen von wasauchimmer. Geht eh meist alles schief. Das Körper-Wollen und das Geist-Wollen sind durchaus nicht immer eins. Braucht also noch bis zur Zen-Meisterin.
Aber ich merke, dass ich das Tempo herunterschrauben möchte. Temporärer Stillstand ist überhaupt das Beste. Um das Gedachte zu verdauen. Um den nächsten Schritt kommen zu lassen. Im Einklang mit dem Denken. Hirn und Hand gleich auf.

Aber das zu praktizieren ist eine Kunst. Es ist nichts, was aktuell modern ist. Nichts womit man bei einem Bewerbungsgespräch groß punkten könnte: „Ihre besten Eigenschaften?“ „Dass ich gerne eine Sache nach der anderen erledige.“ (Und dass ich dazwischen gerne einen Kaffee trinke und dabei aus dem Fenster schaue, bleibt eh ungesagt) „Danke, wir melden uns!“

Ein Handwerk zu praktizieren bedeutet viele einzelne Schritte zu gehen. Viele davon brauchen Zeit. Wer je mit mir in einem Workshop genäht hat, weiß dass ich sehr streng beim Bügeln bin. Und da reden wir davon, dass ÜBERHAUPT gebügelt wird 😉
Bügeln kostet Zeit. Meine tägliche Kleidung bügle ich, wenn irgendwie möglich nie. Beim Nähen ist das Bügeleisen nie aus.

Auch das Auftrennen verhunzter Nähte ist so eine Sache. Ich ärgere mich auch. Aber ich ärgere mich noch mehr über unschöne Details und weiß, dass ich das Kleidungsstück dann nicht anziehe. Noch mehr ärgere ich mich, wenn ich schon beim Stoffkaufen gehudelt habe. Das kann man, wenn man will, hier nachlesen. 
Bei so vielen Möglichkeiten sich ausgiebig zu ärgern, sollte man meinen, dass etwas Bedachtheit (gibts das Wort überhaupt?) oder halt schlicht die eine oder andere Minute im Prozess der Handlung drin sein sollte um das Ärgern nicht überhand nehmen zu lassen.
Aber nachdem ich selbst schon so lange nähe, und offenbar noch immer frei von Weisheit und Geduld bin, wem möchte ich etwas nahelegen?

Ich könnte mit mir selbst beginnen. Und lege nun die Hände in den Schoß.

Teilen mit:
0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Kommentar verfassen