Passendes Schuhwerk für Irrwege.

Wer am Montag die Geschichte von meinem Verzweifeln an gewaschenem und ungewaschenen Leinen gelesen hat, mag einen ersten (hundersten?) Eindruck von meiner begrenzten Fähigkeit zu weisen und durchdachten Entscheidungen bekommen haben.
Wer meint, dass mit der Leinenstory dieses Spektrum aber doch ausreichend abgehandelt sein und mich künftig eben weiser und durchdachter agieren lässt, der irrt gewaltig. Da geht noch mehr.
Geneigte Ex-LeserInnen des kleinformat Magazins wissen, dass in unserer Familie eine gewisse Saltwater-Sandalen Liebhaberei herrscht. Dabei ist das beeindruckendste von Saltwater-Sandalen eher nicht ihre angebliche Salzwasser-Beständigkeit, die ich als Binnenlandbewohnerin eh niemals ausreizen würde, im Gegenteil selbst bei Flipflops ist die Kombi nasse, besandeten Füße und Riemen von Schuhwerk bei mir quasi die direkte Abkürzung zu Blasen. Nein, mir gefällt an den Saltwater-Sandalen ihre totale Absage an Design. Sie muten an wie irgendwelche Kindersandalen aus den späten 40er Jahren, Kunststoff für die Sohlen ist gerade industriefähig geworden. Und wenn ich fast 2020 noch immer so ein Produkt kaufen kann, dann glaube ich, dass Donald Trump seine totale Freude daran hat, weil ich eine simple Lagerhallenschusterei vermute, die eben seit über 60 Jahren nichts anderes macht, als genau diese Sandalen zu produzieren.
Dass so boboeske Deppen wie ich auf sowas anspringen wie der Stier aufs rote Tuch wundert eh niemanden. Aber durch meinem immer finanziell schmal dimensionierten Geldbeutel – der Umstand, dass ich manchmal drei Mal Stoff für ein Kleid kaufen muss, hilft da auch nicht – habe ich da so ein kleines Trotzsynapserl. Und das weigert sich für solche Sandalen fast € 70,00 zu bezahlen.
Aber ich bin ja eine Schlaue. Eine ganz ganz Schlaue. Also her mit dem Hersteller-Webshop. Dort lege ich schlappe $ 47 für meine selbstgewählten Understatementschlappen ab. Das große Kind hat meine Schuhgröße, aber einen anderen Farbgeschmack. Kein Problem. Noch ein Paar in den Warenkorb. Die $ 30 für den Versand werden gespart. Denn – nicht vergessen, ich bin ja eine ganz, ganz Schlaue – ich benutze so einen Shippingdienst von USA nach Europa um magere $ 18. Also alles in allem an Schlauheit kaum zu überbieten. Volle Kanne Bobostyle für Aldibudget. Das muss mir mal wer nachmachen.

Wirklich nur gute zwei Wochen später komme ich nach den Kindern heim und erfahre, dass die Postlerin da war und das große Kind Geld bezahlen musste. Hä?
Ein Blick auf Paket und Papiere lässt die Vorfreude deutlich schrumpfen. Eine Rechnung über $ 90 übersteigt offenbar das Zolllimit und somit muss die Ware verzollt werden. Und offenbar ist irgendwas aus Österreich auch von Donalds lustigen Bannzöllen betroffen, denn ich importiere via Webshopping nicht das erste Mal aus den USA und musste eigentlich noch nie Zoll bezahlen. Vielleicht ist auch Österreichs Staatskasse generell leer, klar, wir müssen ja alle anderthalb Jahre neu wählen, das kostet auch, und woher nehmen und nicht stehlen? Kleinimporteure sind eine willkommene Einkommensquelle für Kleinstaaten.
Also dem Kind die ausgelegten € 16,00 zurückgegeben und das Paket geöffnet.

Upsiiiiii.
Saltwater hat ja, ganz amerikanisch, interessante Schuhgrößen. Und obwohl in unseren Schuhkästen mehrere Modelle lagern – und ich zumindest glaube, dass ich nachgesehen habe, aber das mit dem Glauben glaube ich nach der Leinengeschichte nicht mehr so ganz – hab ich es geschafft die falschen Größen zu bestellen. Was ich erfuhr, als ich meinen Orderprozess rekonstruiert habe. Weil zuerst dachte ich ja natürlich, dass die Saltwaters und so…

OK. Das kleinere Kind hat vom größeren Kind noch zwei Paar in etwas das ca. Größe 38 ist. Noch zwei Paar in dieser Größe übersteigen meine Großzügigkeit. Nein, die müssen zurück. Was kostet das? Ca. € 18,00. Na gut. Mit € 34,00 Lehrgeld auf der Sollseite, hätte man hier – mit zusammengebissenen Zähnen zwar, aber einfach, bei einem europäischen Saltwater-Händler besagte Sandalen in richtiger Größe ordern können. Oder auch einfach auf die Saltwaters sch…. und wie jeder andere Normalsterbliche halt je nach Gesinnung Waldviertler (gibt schon ein paar Sandalen hier, nicht sooo understatementig cool, aber definitiv nur 70 km von mir entfernt produziert…) oder halt welche von Esprit (dem Mönchssandalenlook sehr nahe, aber Gott weiß wo produziert – als ob ich es bei Saltwater wirklich wüsste…) oder wasweißichwem kaufen können. Aber Nein.

In der Wirtschaft gibt es einen Effekt, der nennt sich Sunken Cost Bias oder Fallacy. Es handelt sich um eine Art Wahrnehmungsverzerrung. Wenn in ein Projekt schon sehr viel – meist an Geld – investiert worden ist, fällt es zusehends schwerer, das Projekt für gescheitert zu erklären. Anstatt der bitteren Wahrheit ins Auge zu sehen, dass man etliche Fehlentscheidungen getroffen hat und dass viel Geld verloren gegangen ist, letztlich das Projekt zu Grabe zu tragen und nach angemessener Trauerphase unbelastet und halt mit weniger Budget, aber wieder freier Manpower sich neu aufzustellen, wird weiter investiert:  Nur noch diese eine Maßnahme, nur noch dieser eine Kredit, nur noch dieser Monat, dann schaffen es wir den Sturzflug herumzureissen.
Oder auch nicht.

Ich habe die Sandalen zurückgeschickt. Ich habe um Umtausch gebeten. Ich habe – noch immer ja ganz die Schlaue – darum gebeten, keine Rechnung beizulegen. Die Shippingfirma fand das gar nicht gut. Ich habe gut 10 Tage damit verbracht ihnen vom Umtausch zu erzählen, nur um dann ganz zum Schluss, bevor ich angefangen habe mit dem Kopf an die Wand zu schlagen, den Warenwert zu deklarieren.
Dass ich dann in Österreich wieder Zoll bezahlt habe, brauche ich ja wohl nicht zu erwähnen.

Gut. Gucci-Sandalen gehen sich um das geleistete Investment noch immer nicht aus. Aber wenn ich je wieder das Gefühl habe, eine gaaaaanz tolle Idee zu haben, an etwas ranzukommen, das mir jemand auf sehr einfachem Weg, aber halt etwas teurer beschaffen kann, muss ich ja nur auf meine Füße schauen. Möge es nie Winter werden.