Eleanor. Und Kwai. Und ich.

Letztens erst habe ich doch gesagt, dass wenn der Schüler bereit wäre, der Lehrer erscheint.
Ich bin ein Kind der 70er und damit habe ich natürlich Kung Fu gesehen. Kwai Chang ist wohl DER Schüler schlechthin. Und auch wenn ich generell Klöstern gegenüber verhalten eingestellt bin, die Vorstellung sich unendlich lange einer Aufgabe widmen zu können/dürfen/müssen, bis man sie bis zur Perfektion beherrscht, hat aus meiner aktuellen Perspektive etwas verführerisches.
Aber nein, so milde ist das Leben nicht mit mir. Es sind Rechnungen offen. Und die wollen bezahlt werden.
In der zweiten Jahreshälfte 2018 ist mir irgendwie gedämmert, dass die Situation in der ich bin, oder die mir immer wieder widerfahren und mein Setting mir selbst gegenüber eventuell zusammenhängen. Könnten.

Geduld. Genau.

Schon vor einiger Zeit bin ich, der ja selten ein Hype entgeht, über den Eleanor Oliphant Hype gestolpert. Aber ganz ich, arrogant bis zum Anschlag, lehne ich Hypes lieber gleich mal kategorisch ab. Und wenn es um Literaturhypes erst recht. Auf die Merkliste habe ich Miss Oliphant aber doch gesetzt.
Nach der nicht unschmerzlichen beruflichen Erfahrung vor ein paar Wochen habe ich mir eine professionelle Nabelschau verordnet. Und wie das mit professionellen Dingen generell so ist, erste Maßnahme: Geduld.
Genau.
Meine Kernkompetenz.
Gleich einem Fisch aus dem Wasser gerissen zappel ich also nun an der langen Hand eines Professionisten und jaaaaaaa, versuche langsam mich zu beruhigen. Da gibt es ein paar vom Professionisten empfohlene Maßnahmen, die ich je nachdem gerne bis gar nicht annehme, aber ich merke das Zappeln lässt nach. Also nicht das es weg wäre, davon bin ich Äonen entfernt und vielleicht würde auch kein Shamanenkloster dafür reichen, vermutlich eher meine noch zu erwartende Lebenszeit nicht, um das wirklich zu erleben. Aber ja, es ist weniger.
Und zwischen dieser Erkenntnis, dass Ausatmen ein untrennbar vom Einatmen notwendiger Akt ist um zu Überleben, dachte ich mir dann, vielleicht bin ich jetzt reif für Eleanor.
Um zu erkennen, dass ich hätte nicht reifer sein können.

Panzer leisten Wunderbares. Sind aber in Sachen Flexibilität eher schwach dimensioniert.

Dieses ganze wunderbare Buch, ein Erstlingswerk einer hochbegabten, aber scheints völlig unbekannten Frau, handelt nur davon, dass es gut ist, da zu sein. Dass „Da sein“ allein ausreicht um – Achtung, man kann es noch steigern: „voll wert“ zu sein!
Elenor könnte konträrer zu mir nicht sein. Sie hat einen Tagesablauf wie ein Schweizer Uhrwerk. Aber sie hat auch traumatischste Erlebnisse hinter sich, die sie quasi zu einer lebenden Hülle gemacht haben, die ihre rechte Gehirnhälfte bis ins hinterste Zellwändchen ausreizt, aber sich vor allem aus der Abteilung Emotionen fürchtet wie der Teufel das Weihwasser.
Aber erreicht einen Punkt, wo das nicht mehr passt.
Panzer können bisweilen fürchterlich hilfreich sein und den perfektesten Schutz bieten, den man sich vorstellen kann. Sie sind aber eher schwach dimensioniert in Sachen Flexibilität und Wachstum. Und manchmal kommt dieses auch ohne eigenes zu tun. Und dann muss man sich – schweren Herzens – von seinem Panzer auch verabschieden. Man muss die blasse Haut der Sonne aussetzen, möge sie ein paar Pigmente entwickeln und nicht gleich verbrennen. Und nichts davon will man.
Danke Gail Honeyman, dass Eleanor mich an der Hand nimmt und mir zeigt, dass es viel Geduld braucht. Aber dass es möglich ist. Einfach nur „da zu sein“. Und das gut zu finden. Wirklich gut.

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