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Eiertanz

Seit ich denken kann, zeichne ich. In Kochbücher meiner Mutter. Auf Mauern der unfertigen Wohnräume. Glücklicherweise wohnten wir neben einer Druckerei, später gab es einen nie enden wollenden Fluss an Papier. Mehr oder weniger war ich auch an nichts anderem interessiert als am Zeichnen. Auch ungeübte Augen haben damals Talent konstatiert.

Aber davon leben?

Niemals!

Die unpassende, aber von den Eltern gewünschte Schule habe ich dann in einem ersten Akt schwerer Rebellion gegen eine zumindest kreativere eingetauscht, deren Nebeneffekt Schnittzeichnen mich heute sogar ernährt.
Das Architekturstudium hat noch ein paar Skills in der Abteilung Architektur- und Aktzeichnen und -malen hinzugefügt. Auch die Arbeit als Architektin hat mich eine Zeit lang ernährt.
Und dann noch ein paar andere Professionen, die auf coolen Partys cool klingen. Wie Herausgabe eines Kindermagazins oder PR-Verantwortliche. Sich als Grafikdesignerin und dann nach noch einer weiteren Ausbildung auch als Webdesignerin zu verdingen lag sogar irgendwie nahe.

Mir selber näher gekommen, bin ich aber mit keiner, dieser jeder für sich betrachtet, unglaublich beeindruckenden Stationen meines Lebens.

Im Gegenteil.
Mitte Vierzig habe ich sogar den Eindruck, ich betreibe regelrecht einen Eiertanz um das herum, was ich machen möchte.
Möglichst viel Kreativität zu möglichst wenig Geld zu machen. Das könnte die Quintessenz meiner Erwerbstätigkeiten sein. Wenn mal wieder das eine oder andere nichts geworden ist – oder mich nach einigen Jahren, oder sogar nur Monaten – hohl und unbefriedigt zurückgelassen hat, dann konnte ich mich immer damit entschuldigen, dass es… nun ja, eh nicht mein Herzblut ist. (Wobei Halt! Das kleinformat Magazin MUSS ich hier ausnehmen!)

Wer hier schon länger dabei ist, hat gute Chancen mitbekommen zu haben, dass ich heuer den Mut zur Wundbeschau gefunden habe. Alte Bandagen wurden bis zur untersten Schicht entfernt und ja, es haben sich Wunden gezeigt, ganz alte, die noch gar nicht richtig verheilt sind. Wen wunderts, dass hier dann das eine oder andere so gar nicht recht gelingen will.

Eine sehr gescheite Frau hat dann in einem Gespräch gemeint, dass ich ein Bild malen sollte. Wie sie darauf gekommen ist, kann ich nicht erklären. Ich habe nichts vom Zeichnen oder gar von Bildern erwähnt. Im Gegenteil, es erschien mir wie aus der Luft gegriffen.
Nichtsdestotrotz: Ich habe freudig die Aufgabe angenommen. Und mir sogleich die Eitempera-Technik aufgebürdet, weil man – oder ich – es nicht schaffe, ein solches Bild an einem Nachmittag zu malen. Zu Malen habe ich ja schon vor geraumer Zeit begonnen. Also nicht zu zeichnen, sondern zu malen. Sogar einen Kurs besucht. Mit Eitempera zum Inhalt. Festgestellt, dass ich nicht Nicht-Gegenständlich malen kann. Meinen Frieden damit gefunden. Und ein paar Portraits gemalt, die noch immer meine Wände zieren. Aber gemalt in Acryl. An einem Nachmittag. Ok.

Gut. Also ein Bild will ich malen.

Eines, das mich herausfordert. An dem ich eine Zeit lang arbeite. Das ich nicht aus dem Ärmel schüttle. Das vielleicht nichts wird.

Und dann musste ich feststellen, dass ich um die Aufgabe herumschleiche wie die sprichwörtliche Katze um den Brei. Ewig habe ich gebraucht um das Material zu besorgen. Zum Grundieren musste ich mich wirklich zwingen und die ersten Skizzenstriche waren schon eine Art Rosskur.

Jetzt bin ich drin. Im Prozess. Und merke, dass eine ganze Heerschar von Dämonen um mich herumtanzen:
Den Putzfimmel vor Prüfungen mögen einige selbst kennen. Hunger/Durst/Toilettenbesuch in abwechselnder Reihenfolge ist wohl auch bekannt. Aber auch Phantasien von bahnbrechenden Vernissagen, gleich gefolgt von Bilderverbrennungen hinterm Haus gehören dazu. Inspirationsssuche im Internet sowieso wohlgemerkt.

Aber immer wieder kommt auch mein guter Schutzengel durch, der mich antippt und nur will, dass ich weitermache. Der mir zeigt, dass wenn ich jetzt diesem tollen Link folge, oder dieses spannende Buch google, ich letztlich Zeit an meinem Bild opfere.
Und ganz langsam erkenne ich, dass ich wohl nicht nur Links und Bücher als willkommene Ablenkung missbrauche, um mich nicht um tatsächlich Anstehendes zu kümmern.
Vermeintliche Traumjobs können einem genauso im Weg stehen wie vermeintliche Traummänner . Und diese sind besonders tückisch. Wer will schon DIE Chance im Leben ziehen lassen? Retrospektiv betrachtet hatte ich wohl schon einige DIESER Chancen. Beruflich. Und Amourös.

Ich weiß nicht, ob an mir die Malerin verloren gegangen ist. Aber ich werde es nie wissen, wenn ich diesen Prozess hier nicht zumindest einmal in allen Ebenen, in allen Schichten, in allen Stimmungslagen durchlebt habe.

Was ist das Risiko?
Wenn ich kein befriedigendes Ventil für meine Seelenzustände in Verheiratung mit meinen Talenten gefunden habe, habe ich einfach ein Bild gemalt.

Es gibt definitiv schlimmere Sackgassen im Leben.

Möge mir der Mut unterwegs nicht ausgehen, die zarte Stimme lauter werden und den Dämonen es irgendwann langweilig werden.