Heal and Hope
Heute vor sechs Jahren ist meine Mutter gestorben.
Seither ist viel Wasser die Donau runter geflossen. Und ich habe eher mehr Täler als Anhöhen erlebt. Das große Ganze sehe ich noch immer nicht. Und – ich weiß wirklich nicht warum – das heurige Jahr hat sich bisher als eines der anspruchsvollsten gebärdet. Ich habe in den letzten Jahren soviel gekämpft, gearbeitet, mich bemüht und bin mir doch nur wie Don Quijote vorgekommen.
Irgendwann bin ich abgestiegen von meinem Pferd. Habe meinen Bogen nieder gelegt. Und mich sehr ruhig gefühlt. Ich habe das Schlachtfeld verlassen.
Und ich habe anfangen – mit dem Herzen zu sehen. Das heißt, ich habe mich erinnert, dass ich eines habe. Ich habe viele Schichten abgegraben um dort hin zu gelangen. Viele Verbände abgenommen, die ich offenbar, immer wenn etwas weh tut, drüber gebunden habe. Ich habe meinen ganzen Mut zusammen gefasst und alle herunter genommen. Und was soll ich sagen? Es war befreiend. Aber auch schmerzvoll. Ganz drinnen gibt es noch immer Wunden, die noch gar nicht verheilt sind.
Ich habe so viel geweint wie schon seit langem nicht mehr.
Aber ich habe auch begonnen mir (seit sehr sehr sehr langer Zeit) die Sterne anzuschauen.
Das Universum hatte vor vielen Jahren, wo ich scheints an der gleichen Stelle im Leben war, mir viel bedeutet. Diese Gesamtheit, die auch gleichzeitig Unendlichkeit ist. Die Orientierung, die uns die Sterne geben, die Beständigkeit und gleichzeitig die Flüchtigkeit. Ich habe angefangen mich auch als Gesamtheit von allem zu sehen, das mich ausmacht.
Mit allen Wunden. Mit meiner verkorksten Berufsituation. Mit meinem enden wollenden Talent als Mutter. Mit meiner Liebe für die falschen Menschen. Mit meiner Erotik und mit meiner Bedürfnis genau das Gegenteil davon zu sein. Mit meiner Intelligenz und mit meiner Sturheit immer wieder den falschen Weg einzuschlagen. Mit meiner Kunst und mit meinem Talent, das ich so oft verwünscht habe.
Und das machte dann unter Cassiopeia und Antares und dem großen Wagen so rund und wohlig und geborgen, wie ich es vermutlich zuletzt als Säugling erlebt habe.
Und schon wieder flossen und fließen die Tränen.
Ich habe eine Tür aufgestoßen und fühle mich jetzt stark genug auszuhalten, was dahinter ist. Nichts davon sehe ich mehr als Bedrohung. Es gehört ALLES zu mir. Und wer damit nicht kann, darf mir gerne aus dem Weg gehen.
Ich habe diese Tür schon öfter geöffnet. Aber ich bin nicht bequem, wenn sie offen ist. Mit mir ist dann nicht gut Kirschen essen. Kinder werden an den Rand gedrängt. Am Abend steht kein Essen auf dem Tisch. Wäsche wird nur halbherzig besorgt. Ich funktioniere nicht.
Das verlangt anderen viel ab. Mir auch. Und trotzdem muss die Tür offen bleiben.
Das Gefühl ganz zu sein. Von mir selbst in meiner Ganzheit angenommen und geliebt zu werden. Das möchte ich nicht mehr missen. Ich werde einen Weg finden müssen, es in mein Leben zu inkorporieren. Dass es größer und stärker werden kann. Dass ich nicht so ängstlich darum herum tanze, dass es mir jemand weg nehmen möge, dass es sich auflöst… was immer man an Ängsten haben kann, ich habe sie und fühle mich auch gleichzeitig so stark und unbesiegbar, dass es mir selbst Angst macht.
Ich freue mich auf das was kommt, ich bin bereit so viele Tränen zu weinen, wie es eben sein müssen. Ich lasse das Herz offen, mögen die alten Wunden heilen und werde neue gleich versorgen.
Ich werde immer eine Kriegerin sein. So bin ich. Und ich werde auch wieder Schlachten kämpfen. Jetzt aber möge mir das Leben Lazarett sein, möge mich das neue runde Gefühl auffüllen mit Energien bis ich davon übergehe. Ich möchte keine Angst mehr haben, vor dem was ich bin.
Heute ist auch mein Hochzeitstag.
Sogar ein runder.
Wer bis hier gelesen hat, kann sich vorstellen, dass das diesmal kein Feiertag ist. Ich werde weinen. Aber ich werde keine Kirschen essen.
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