Nie zu spät militante Feministin zu sein & warum Ullstein heimgehen kann
Also wer wie ich 1972 auf die Welt gekommen ist, oder sonst wo in dieser zeitlichen Gegend, der/die hat schon so eine bissl feministische Grundhaltung mitbekommen.
Ich hätte von mir selbst jetzt nicht als DIE Feministin gesprochen.
Zu birkenstockig, achselhaarig und spaßbefreit ist mir die ganze Sache.
Gewesen.
Denn als ich vor wenigen Wochen mal so lustlos in einem Brigitte-Heft blättere, fiel mir ein Portrait über eine Britin, die ein Feministinnen-Buch geschrieben hat, in die Hände: How to be a woman!
Irgendwas fesselte mich doch, denn als ich kurz danach in der Bücherei war um Hörbücher für die Osterurlaubsanreise auszusuchen, stolperte ich über genau dieses Buch. Frisch eingepackt und los gings.
Ich war ja hochgradig skeptisch, denn bitte, was soll irgend eine daher gelaufene, noch dazu jüngere Britin MIR vom Feminismus erklären? Ich WEISS wer Alice Schwarzer ist und kenne das Cover von Emma. Reicht doch schon, oder?
Noja.
Caitlin Moran ist in der Tat in der Lage witzig und nachvollziehbar über Themen zu schreiben, die uns ALLE angehen. Auch mich.
Nämlich warum wir kollektiv unsere Körperbehaarungs-Warzone von Beinen und Achseln, wo man ja noch mit dem gesellschaftlichen Druck des öffentlichen Anblicks argumentieren könnte, auch auf unsere Schambehaarung ausweiten?
Brazilian Waxing ist die EINZIGE akzeptierte Form von Schamhaarhandhabung. Ich habe zum 40er mal einen Gutschein geschenkt bekommen. Von Freundinnen und dem ging ein sehr lustiger Nachmittag vor Jahren voraus, als der erste Waxing-Laden in Wien eröffnete. Ich hätte ihn gerne eingelöst. Aber die eigenwillige Politik des Ladens, keine Termine auszumachen und also deshalb beim morgendlichen Öffnen (um 11h!) hinzuhetzen, sich auf die Warteliste setzen zu lassen und dann ca. halbstündlich anzurufen, wo man ungefähr stunde, ob eventuell viele vor einem ausgefallen wären… also das war mir dann letztlich zu viel Aufwand für einen Selbstversuch.
Caitlin hat mich darin bestärkt den Gutschein einfach schmunzelnd wegzuwerfen.
Kollektiv gesehen ist es nämlich völlig wurscht, was wir in unserer Unterhose tragen. Weil die Chance, dass ein Paparazzi kommt und einen gemeinen Schnappschuss auf einem WC einer Bar macht, ja nun bei Licht betrachtet, eigentlich Null ist.
Und MIR könnte das ja auch wurscht sein. Weil ich bin schon vergeben und wenn ich durch irgendeinen komischen Lebensweg mich doch wieder am freien Markt befände, wäre die Schambehaarungsfrage in meinem Alter wohl zweitranging.
ABER:
Ich bin Mutter zweier Mädchen.
Und allein das sollte mich doch bewegen, mich für diese Frage zu interessieren.
Weil Frau Moran bringt nämlich eine mitgelauschte Szene in einem Bus zum besten: Zwei dreizehnjährige Burschen hätten sich darüber unterhalten, dass der eine beim Fummeln in einer Mädchenunterhose Haare gespürt hätte. Und das war für ihn ungefähr so, als hätte das arme Mädchen in ihrer Unterhose eine Kröte sitzen gehabt und er hätte diese nun mit blossen Fingern berührt.
DAS ist der Skandal!
Naja. Und in diesem Duktus geht es weiter und am Ende wird einem siedend heiß klar, dass man äh frau es sich heutzutage gar nicht leisten kann, NICHT Feministin zu sein!
Und das heißt auf Deutsch, dass es nicht darum geht jemand bestimmter oder etwas (eine Prinzessin, wunderschön, gertenschlank, für immer jung) zu SEIN, sondern was Ordentliches zu TUN!
Aufgrund der Historie und der Gesellschaft und weil es einfach so bequem ist für alle, beschäftigen wir Frauen uns aber sehr gerne mit Aussehen, hübschem Haushalt, Aussehen kommt noch ungefähr 147.000 Mal und wird gleich auch gerne auf den Nachwuchs ausgeweitet, und naja… dann kommt eher lang nix oder viel Tratsch und Klatsch und Eifersucht und Neid und irgendwann kommt dann das, worum wir uns eigentlich kümmern sollten.
Nämlich Beruf.
Weil DAS ist die Spielwiese, wo die Männer spielen. Wo die Kohle gemacht wird, die uns dann nämlich am Ende des Tages fehlt. z.B. in der Pension.
Das klingt jetzt knallhart und selbst ich, weiche vor meinen Worten hier etwas pikiert zurück.
Aber wir beschäftigen uns so sehr mit Cellulitis, Krähenfüssen, Dyskalkulie der Kinder (hab ich erwähnt, dass ich bei meinen zwei Besuchen in diesem Recheninsitut KEINEN Vater gesehen habe?), vollwertige Schuljausen, bloggerechten Wohnzimmern, selbstgezogenem Gemüse, dass einfach keine Energie übrig bleibt, im Job mal auf den Tisch zu hauen.
Und da meine ich nicht jede für sich, sondern im Kollektiv.
Ich denke ich liege richtig, wenn ich meine, würde heutzutage ein Chef uns in der Teeküche so mal bisschen näher kommen und flüsternd meinen, dass man ja schon länger andächte, uns die Leitung der Abteilung xx zu übergeben, vielleicht könnte man ja mal nach Feierabend das im Detail besprechen und dann so die Hand über unseren Hintern streichen lässt…also hier gibts keine Frage, wie wir das werten würden: Sexismus. Sexueller Übergriff im Büro.
Vermutlich gar nicht so selten.
Aber die kollektive Meinung ist klar.
Und deshalb ist unsere Reaktion auch klar.
Und diesselbe kollektive Meinung wünschte ich mir über Arbeitszeiten und Gehalt.
„Frau Wally für diesen 18 Stunden Job können wir nicht mehr als 11xy,xy Euro bezahlen.“
„Aber das wären 850 Euro netto. Und ich müsste zweimal die Woche 80 km hin und zurück fahren. Können wir eventuell über eine Zugkarte reden?“
„Nein, Ihr Gehalt liegt zwischen meinem und dem der Assistentin. Wir haben einfach nicht mehr Geld. Und wissen Sie das ist ja keine Stelle mit Verantwortung…“
„…(Schlucken meinerseits)…äh ich möchte jetzt aber schon darauf hinweisen, dass ich eigentlich JEDE Position, die ich je bekleidet habe, MIT VERANTWORTUNG ausgeführt habe…“
Ich habe nach dem Satz das Gespräch noch immer nicht abgebrochen. (Ich bin wohl in Sachen Feminismus grad mal im Erstsemester). Ich habe mir noch arge Ausflüchte und wasweißich anhören dürfen.
Der WAHRE SKANDAL dabei war, dass ich mit DREI FRAUEN gesprochen habe!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Und nach diesem Buch und in Rekapitulation dieses Gesprächs ist mir klar, dass es hier mitnichten um Männeranprange geht, wo das ganz leicht immer gleich hinrutscht. Sondern wir dürfen hier uns ganz selbst bei der Nase nehmen.
Es ging bei diesem Vorstellungsgespräch um eine Kulturinstitution. Die haben ja schon historisch zu wenig Geld und darum gehts auch gar nicht. Auch Start-ups haben keine Kohle und finden Leute, die mitmachen. Es geht darum, dass man hier gar nicht den Umstand anprangert, dass es zu wenig Geld gibt, dass man sich dessen bewusst sei, dass es einem leid tue, einer Frau mit solchen Qualifikationen so etwas anzubieten und blablabla… sondern dass MIR suggiert wurde, dass mein Erstaunen nicht OK ist, denn schau Schätzchen, das ist doch nur ein bisschen Mails schreiben und das nur an zwei Tagen die Woche. Jeder Idiot weiß, dass man davon nicht leben kann…
Und hier liegt meiner Meinung nach der Hund begraben.
Dass WIR UNS SELBER in Positionen und Situationen bringen, wo wir uns selber nicht ernähren, nicht bewegen, nicht frei äußern können. Und statt uns zusammen zutun und da was zu ändern, lästern wir dann darüber, dass diese oder jene Kollegin/Celebrity aber schon ordentlich zugelegt hat und so einen komischen Stil hat und defintiv einen Hang zur falschen Wortwahl und immer so laut, nie was zu sagen, auch nur den eigenen Vorteil im Blickwinkel etc etc …völlig austauschbar und immer gegen uns selbst gerichtet.
Beim Durchlesen dieser Zeilen ist mir dann doch der Verdacht aufgekommen, Frauen, die sich fürs NURMütterdasein entscheiden, könnten sich hier angeprangert fühlen – MITNICHTEN!
Auch Frauen, die sich gerade so gestresst fühlen mit ihren Kindern und Beruf und Haushalt und überhaupt alles…Ich bin NICHT der Meinung, dass jede einzelne von uns jetzt ausziehen muss um die Welt zu retten. Bitteschön NICHT!
Es geht vielmehr darum ein kollektives Bewusstsein zu schaffen.
Sodass wir uns eben den Rücken gestärkt wissen….Fürs erste denk ich hilft schon darüber nachzudenken. Und wer sich dafür schon fit genug fühlt: Öfter den Mund aufmachen – das gilt für mich besonders.
Weil ich an sich gern den Mund aufmache.
Aber offenbar auch ich viel zu oft bei den falschen Gelegenheiten…
Und abschließend möchte ich Ullstein nochmal meine Meinung sagen:
Die deutsche Übersetzung ist ok.
Nachdem ich das Original nicht gelesen habe, kann ich kein ordentliches Urteil abgeben, aber es gab eigentlich keine Stelle, wo ich gefunden hätte, dass man das so nicht im Deutschen sagen würde.
Insofern: 100 Punkte.
Das Cover ist nicht ernstgemeint, oder?
Das ist ein Versuchscover und das echte kommt noch?
GUT, dass ich die Originalfassung vorher nicht gesehen habe.
Ich hätte diese scheißdepperten rosa Boxhandschuhe vermutlich dem nächsten Buchhändler ins Gesicht geschmissen.
Ich meine diese Frau schwingt sich auf etwas zu schreiben, was für uns WIRKLICH TOTAL wichtig ist und sie kriegt in der deutschen Version ein Cover wie diese ganze Chic-Lit-Sache??????????????
Optisch gleichgemacht mit all dem „Schokolade, Mann ruft nicht an“- Zeug????
DAS DARF DOCH NICHT WAR SEIN!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Ullstein go home!
Das englische Cover zeigt eine coole, eine sehr coole Frau, der man das sofort abnimmt, dass sie ein bis drei Sachen zum Thema Frausein zu sagen hat. Das gerankige Titelzeug ist ein Hinweis, dass der/die Grafikerin auch uptodate ist und weiß wie coole Berlin-Bars jetzt so aussehen. Und der Verlag zeigt, dass er AutorInnen und Zeitbewegungen und LeserInnen ernst nimmt und sich freut so ein Buch zu publizieren.
Während f*** Ullstein zittert vor lauter Angst, was so ein Buch wohl für Reaktion auslöst. Ob sich die Auflage wohl eh verkauft, naja, wenn nicht, kann man noch immer die Verantwortliche feuern…
Und wisst Ihr was Ullstein?
MIT DIESEM COVER läuft Ihr tatsächlich Gefahr, dass diese wirklich gute Buch zum Ladenhüter wird!
Und in diesem Sinn würde ich der Verantwortlichen EMPFEHLEN zu kündigen!
Sich eine kleine literaturaffine Schmiede zu suchen, wo sie nur ein Zehntel von dem verdient, was sie vorher bekommen hat, aber zumindest die AutorInnen, die LeserInnen und letztlich sich selbst wieder ERNST nehmen kann. Und btw: Mit dieser Haltung kann man auch gut in einer billigen Wohnung im Gentrifizierungsbezirk leben.
Hach, Feminismus… das kann noch lange dauern *seufz*
ich hatte neulich eine Diskussion mit meinem Schwiegervater, da gings um Väter in Elternzeit. Er war der Meinung, dass Männer, die einige Zeit Elternzeit nehmen, später nie mehr wieder in dern Beruf reinkommen. Klang nicht unplausibel, kennt man ja von Frauen schon seit langem. Nur sah er das anscheinend nicht als Problem. Weil, für Frauen ist das ja normal, nur für Männer ist das ganz schön doof. Ziemlich strange, fand ich. Zeit, dass sich unsere Gesllschaft ändert, um zu merken, dass Kinder auch Väter haben.
Ich finde diese ganze Kiste unglaublich schwierig. Ich habe vier Kinder, bis zum dritten habe ich gearbeitet, was teilweise ungalublich stressig war, und seit dem dritten habe ich meine gesamten Reste Elternzeit zusammengekratzt und bin zur Zeit zu Hause. Ich finde nicht, dass ich nicht arbeite, im Gegenteil, ich fühle mich sogar ziemlich ausgelastet und auch bei mir bleiben Sachen liegen. Auf der anderen Seite möchte ich aber auch nicht wie in unserer Müttergeneration üblich, mein Lebtag zu Hause bleiben und mich über geputzte Fensterscheiben definieren. Wobei, den Haushalt könnte man ja noch ganz gut delegieren, das klappt bei den Kindern weniger gut. Ganztagsbetreuung ist auch nicht für jedes Kind was, mein zweiter Sohn z.B. fühlt sich in seiner Klasse nicht sonderlich wohl, nicht wirklich dramatisch, aber muss dann auch nicht den ganzen Tag sein, ausserdem braucht er auch ziemlich viel zusätzliche Hilfe und Anschubs zur Überwindung seiner Bequemlichkeit. Das kann Schule auch nicht immer leisten. Zudem hat man bei den Lehrmethoden an den hiesigen Grundschulen oft das Gefühl, dann eben doch alles selber machen zu müssen, damit dann z.B. auch sowas Spiessiges wie Rechtschreibung vernünftig gelernt wird. Also alles nicht so einfach.
Also: wann fang ich wieder an zu arbeiten? Je länger man raus ist, desto schwerer ist es auch vom Kopf her, sich wieder aufzuraffen, weil man sich ja auch inzwischen so schön im Leben eingerichtet hat. Und auch, weil man ja praktische Unterstützung braucht.
Liebe Dolores, ich mag Deine Texte. Übrigens: best organized ist nicht so wichtig. da ist weniger sicher mehr. Aber ich kenn das: am meisten setzt man sich immer selbst unter Druck…
alles Liebe
Sibylle
Danke für deinen Text, ich hab mich darin auch gefunden (nicht nur wegen dem 72er Jahrgang…..) und habe mir das Buch auch in der Bücherei geholt.Oh Wunder, es stand immerhin nicht bei der leichten Unterhaltung (ja, unsere Bücherei führt eine Abteilung"leichte Unterhaltung", wo das Cover immerhin farblich gepasst hätte…).Ich hätte nie danach gegriffen, wenn ich deinen Beitrag nicht gelesen hätte. Bin gespannt, was nach Seite 50 noch kommt.
Herzlichen Dank für diesen pointierten Beitrag. Und danke auch, dass Du in dieser "netten Bloggerwelt" solche Beiträge schreibst. Ich bin keine aktive Bloggerin, verfolge aber gerne den einen oder anderen Blog und manchmal wird es mir etwas eng ums Herz, wenn alles so schön und nett ist.
Lieben Gruss
Véronique
SUPER! Aus diesem Blickwinkel hab ich es in meinem Tunnelblick gar nicht gesehen!
DANKE
…schöner text!
lg,
susanne
Ich weiß nicht. Vielleicht ist das Cover gar nicht so schlecht gewählt. So landet es bestimmt öfters im Einkaufswagerl der "Schokolade, Mann betrogen,…"-Fraktion und diese wird dann durch das Buch erleuchtet?! Wollen wir es hoffen 😉
Vielen Dank Mädels, ich hatte schon etwas Grummeln im Bauch, aber dachte mir, Wurscht, jetzt wird hier mal Tacheles geredet ;-))
Und vielen Dank auch fürs Viellesen ;-)))
Jawoll! Toller Post und das Buch landet sofort auf meiner To-Read-Liste!!
Stimmt. Das Cover lässt eher leichte lachhafte Kost erwarten.
Toller Post.
Lieber Gruß Elke